Landesschau Rheinland-Pflalz 01.06.2017
Schulfach Glück
Unterrichtsfach in Realschule Kandel Auf dem Stundenplan steht "Glück"
Von Viviane Chartier
Durch Baumkronen über Seile und schaukelnde Bretter balancieren, auch das kann Unterricht sein. Nach den Sommerferien steht bei einigen Realschülern in Kandel neben Mathematik und Deutsch auch das Fach "Glück" auf dem Stundenplan.
3:22 min | 1.6. | 18.45 Uhr | Landesschau Rheinland-Pfalz | SWR Fernsehen RP
Schulfach "Glück"
Lehrerin Susanne Gerdon will dann fortführen, was sie mit ihrer 9. Klasse im vergangenen Schuljahr begonnen hat. Zwei Schulstunden in der Woche geht es darum, dass die Schüler neue Impulse bekommen, sich selbst besser kennen- und schätzen lernen, ihre Stärken entdecken, gemeinsam Ziele erreichen und auch mal Stress ablassen können. In diesem Jahr will sie einen Meditationslehrer an die Schule holen und ein Teamtraining auf Slacklines machen.
Lehrerin Susanne Gerdon bei einem Klassenausflug in den Kletterpark. Ihre Schüler sollen ein Bewusstsein für die Gemeinschaft bekommen.
Lehrerin Susanne Gerdon bei einem Klassenausflug in den Kletterpark. Ihre Schüler sollen ein Bewusstsein für die Gemeinschaft bekommen.
Um das Fach an ihrer Schule anbieten zu können, hat Gerdon selbst an zwölf Wochenenden die Schulbank gedrückt. Sie erzählt, dass sie sich schon lange mit dem Thema Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt habe und auch die ganzheitliche Lehre habe sie sehr geprägt. Interaktions- und Vertrauensspiele seien schon immer Bestandteile ihres Unterrichts gewesen.
Einen Knoten für jede Lernerfahrung
Die Übungen, die sie mit ihren Schülern macht, habe sie alle selbst ausprobiert. Zum Beispiel die Übung mit dem roten Faden, der sinnbildlich für den Lebensfaden steht: Für jede bewältigte Herausforderung oder Lernerfahrung sollten die Schüler einen Knoten machen. Manche Schüler hätten erst gar nicht so viel damit anfangen können, erzählt sie, doch nach einer Weile fingen sie an, einen Knoten nach dem anderen zu binden. Anschließend sprachen die Schüler darüber. "Die Kinder öffnen sich ihren Mitschülern gegenüber und sind begeistert, was sie alles übereinander erfahren. Sonst gibt es in der Schule keinen Raum dafür", berichtet Gerdon.
Mit ihren Schülern war sie auch schon beim Boxen. "Ausdauersport ist mal was anderes als Joggen. Wut zulassen, rauslassen und Stress abbauen", darum geht es der Lehrerin. Auf einem Kletterparcours sollten die Jugendlichen ihre Teamfähigkeit unter Beweis stellen. Doch zuvor war Überzeugungsarbeit gefragt. Eine Schülerin wollte nicht klettern, sei aber mitgefahren. Nach dem Teamtraining habe sie dann doch Vertrauen gefasst. "Es geht darum Angst abzubauen, Mut zu haben und die Komfortzone zu verlassen", so Gerdon.
Stärken finden und Ziele setzen
Da sich die Schüler der 8. Klasse bereits für ein Praktikum bewerben müssen, war auch das ein Thema im Glücksunterricht. Die Schüler sollten sich mit ihren Berufswüschen auseinandersetzen, herausfinden, was ihre Stärken sind und welche Ziele sie im Leben verfolgen wollen. Ob ein Handwerksberuf sinnvoll ist, oder ob sie weiter zur Schule gehen wollen. "Jeder hat ein Talent. Wenn er das erkennt, dann kann er viel bewirken", sagt die Lehrerin.
Auch Susanne Gerdon hat mit ihren "Unterrichtsfach Glück" schon einiges bewirkt. Zuerst gab es im Frühjahr 2016 für sechs Monate die AG "Glück". Im September 2016 wurde daraus ein Wahlpflichtfach für die 8. Klasse. Zum Schuljahresende wurden Schüler und Eltern befragt und die wollten, dass es weitergeht. Die Schüler sagten selbst, dass sie besser mit Problemen umgehen könnten und gelassener geworden seien, seit sie den "Glücksunterricht" haben.
Die Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg hat 2007 als erste das Schulfach "Glück" kreiert. Inzwischen machen es ihr viele Schulen nach. Die Realschule Plus in Kandel ist laut Bildungsministerium Rheinland-Pfalz nicht die einzige Schule im Land, die "Glück" in ihren Fächerkanon aufgenommen hat.