Die Einführung des Faches Glück klingt vielleicht auf den ersten Blick exotisch, doch bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass sie die Hauptaufgabe der Schule als Vorbereitung auf ein gelingendes Leben erfüllen soll. Glückliche Schüler streiten weniger, sind kreativer, lernen leichter und wissen, worauf es im Leben wirklich ankommt.
Was über das gesamte Leben von einem Menschen bleibt, ist sein Charakter, seine Persönlichkeit. Und je früher wir anfangen, die Persönlichkeit durch Vermittlung von positiven Haltungen und Einstellungen zu stärken, desto größer ist die Chance körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen. Ein glücklicher Mensch ist ein wirksamer Gestalter seines Lebens, der für sich Sinn gefunden hat und achtsam mit sich, seinen Mitmenschen und der Natur umgeht. Bildung im Humboldtschen Sinne heißt, sich die Welt zu erobern und einen Platz darin zu finden. Das gelingt weniger über auswendig lernen, sondern vor allem durch freudvolles Entdecken des Lebens und der eigenen Fähigkeiten.
Der Lehrplan des Faches Glück orientiert sich an den Strukturen einer gelingenden Lebensgestaltung. Um mein Leben zu gestalten, muss ich mir meiner eigenen Kräfte und Ressourcen bewusst werden. Dann kann ich realistische Visionen bzw. Ziele entwickeln. Die Bedeutung dieser Ziele kann ich erhöhen, indem ich mir meine Gefühle beim Erreichen des Zieles genau ausmale und sozusagen vorwegnehme. In einem dritten Schritt geht es darum Entscheidungen zu treffen, was ich will oder nicht will und was das für mich bedeutet. Erst daraufhin kann man Pläne machen und Ressourcen einteilen. Danach geht es darum, die Pläne wirklich umzusetzen. Damit aus Plänen wirklich Handlungen und vielleicht sogar Haltungen werden, müssen wir lernen uns selbst zu motivieren, aber auch mit Ängsten umzugehen und uns zu beruhigen. Ob das z.B. die nächste schwierige Mathearbeit oder der bevorstehende Sprung vom Fünfmeterbrett ist, immer geht es darum eine innere Balance zu finden. Wer dies als Kind schafft, kann sich glücklich nennen. Jede Hürde, die überwunden wird, wirkt, egal ob Kind oder Erwachsener, beglückend. Man übt sozusagen sich selbst wahrzunehmen und seine Gefühle zu steuern. Dazu gehört auch der Erwerb von Frustrationstoleranz. Im sechsten und letzten Schritt werden in einer Rückschau das Ergebnis, die Anstrengung und die damit verbundenen Gefühle betrachtet.
Das Schulfach Glück bietet einen bunten Strauß von Erlebnissen, die körperlich und seelisch wohltuend wirken und geistig anregend zu neuen Erkenntnissen und guten Absichten führen. Die Schüler und Schülerinnen lernen zum Beispiel psychische und physische Hindernisse zu überwinden, die Gruppe als Kraftquelle zu erkennen und im mentalen Training sich zu motivieren oder zu beruhigen. Damit die Erlebnisse nicht vergessen werden, dokumentieren sie die Erlebnisse und Beobachtungen in ihren Heften. Darin finden sich auch Erfahrungen aus dem Alltag, eigene Zielsetzungen und Projekte. Diese Dokumentationen bilden dann auch die Grundlage für die Noten.
Die Kinder und Jugendlichen lernen auf diese Weise, die guten Gründe von den scheinbar guten Gründen zum Glücklichsein zu unterscheiden. Sie lernen Verantwortung für sich, ihre Mitmenschen und unsere Natur zu übernehmen und sie lernen, dass das Leben nicht nur aus Glücksmomenten besteht, sondern uns auch herausfordert und nicht jede Krise eine Katastrophe bedeutet.
Die begleitenden wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigen den positiven Gesamteindruck der Kinder und Jugendlichen, der Eltern und der Lehrpersonen. In allen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass das Kohärenzgefühl – sich etwas zuzutrauen, ein Selbstkonzept zu entwickeln und ein Sinn im Leben zu finden - zunahm. Selbstwertstabilität, gestiegene Selbstwirksamkeitserwartung und gewachsene Sozialkompetenz waren weitere erfreuliche Ergebnisse.
Diese positiven Rückmeldungen haben das 2009 gegründete gemeinnützige Fritz-Schubert-Institut für Persönlichkeitsentwicklung ermuntert, Weiterbildungen für Pädagogen anzubieten. Auf der Basis des salutogenetischen Ansatzes, der Logotherapie, der Resilienzforschung und der systemischen Pädagogik soll den Teilnehmern das Fritz-Schubert-Konzept vermittelt werden. Nach diesem Konzept sind die Grundvoraussetzungen für Glück – verstanden als innere Harmonie – Geborgenheit und ein gesundes Selbstwertgefühl. Im Zusammenhang zwischen Glück, Authentizität, Produktivität und ethischem Verhalten ist es geeignet, den Ansatz der Positiven Psychologie zu stützen, indem man nicht bei den Defiziten (wie z. B. beim depressiven oder unsozialen Verhalten) ansetzt, sondern das Positive mehrt. In der praktisch und lebensnah gestalteten Umsetzung des Faches geht es nicht nur um die Steigerung des subjektiven Wohlbefindens, sondern vor allem um die Verbesserung der Selbstwirksamkeitserwartung, des Selbstbewusstseins und sozialer Kompetenzen. Im Wintersemester 2013/2014 wurden in den Universitäten Osnabrück und München erstmalig Seminare für junge Lehramtstudierende durchgeführt. Die von Frau Prof. Graf durchgeführte wissenschaftliche Begleituntersuchung ist zwar noch nicht vollständig abgeschlossen, dennoch zeichnen sich schon jetzt die positiven Wirkungen der Pilotversuche ab.
Alles in allem soll mit dem Schulfach Glück gezeigt werden, dass Schule nicht bitter schmecken muss, sondern wirklich Freude machen kann.
Dr. Ernst Fritz-Schubert
(Der Text ist zuerst erschienen in der Zeitschrift "Erwachsenenbildung" )